Missbräuchliche Abmahnungen

OLG Frankfurt, 14.12.2006, 6 U 129/06

14.12.2006

Ein Textilwarenhändler hatte rund 200 Abmahnungen ausgesprochen, die sich mit Wettbewerbsverstößen von Mitbewerbern in Form unzureichender Widerrufsbelehrungen auseinandersetzten. Anders als noch das LG Bielefeld sieht das OLG Frankfurt allein aufgrund der Anzahl der Abmahnungen noch keinen Hinweis auf sachfremde Erwägungen, welche zu dieser Aktion motiviert haben könnten.

Ein nachvollziehbarer Missbrauchsvorwurf sei vielmehr nur in derartigen Fällen anzunehmen, bei denen sich der Anwalt und der Abmahnende zusammentun und insbesondere der Anwalt seinen Mandanten von der Übernahme der etwaig entstehenden Kosten freistellt. In solchen Fällen gäbe sich der Abmahnende ohne jeglichem Interesse am Schutz des lauteren Wettbewerbs her, um dem Anwalt eine Einnahmequelle zu schaffen.

Derartige Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nach Ansicht der Richter nicht erfüllt. Zum einen hatten der Abmahnende und der Anwalt übereinstimmend erklärt, dass der Abmahnende selbst finanziell für die finanziellen Folgen eines Unterliegens vor Gericht einzustehen habe.

Nicht zu missbilligen sei auch die konzertierte Abmahnaktion. Vielmehr entspreche es einer gewissen Konsequenz, bei einem verbreiteten Missstand, der sich anhand der Vielzahl der Abmahnungen zeige, gegen alle vorzugehen, die Verstöße begangen haben und nicht nur einige wenige. Dies sei auch dadurch gerechtfertigt, dass derjenige, der ordnungsgemäß über die Widerrufsrechte belehrt, mit der Ausübung derselben erfahrungsgemäß oft konfrontiert werde und dies zu erheblichen Kosten für ihn führt.

Auch im eventuellen Missverhältnis zwischen dem erheblichen finanziellen Risiko für den Abmahnenden und dem doch eher geringen Vorteil, der sich für ihn aus dem Einhalten der Bestimmungen durch seine Mitbewerber ergebe, konnten die Richter keinen Rechtsmissbrauch erkennen. Der Abmahnende trug vor, dass es ihm bei Kenntnis des vollen Prozessrisikos wesentlich um die Schaffung von Gerechtigkeit und gleicher Bedingungen auf dem betreffenden Markt gehe.

Allerdings hatte der Anwalt hier keine Vorschusskosten von seinem Mandanten verlangt. Dies führte zu der Schlussfolgerung des Gerichts, er habe in Wahrnehmung eines im Ansatz berechtigten Anliegens die damit verbundenen finanziellen Risiken nicht vollständig realisiert habe. Diese Ansicht sah das Gericht auch in der zwischenzeitlichen Beendigung der Abmahnaktion bestätigt.

Kommentar Rechtsanwalt Martin Boden:

Die Entscheidung des OLG Frankfurt macht deutlich, dass es schwer ist einen tatsächlichen Rechtsmissbrauch bei großangelegten Abmahnungen nachzuweisen. Wenn sich ein Mandant und ein Anwalt tatsächlich nur für eine solche Aktion zusammen getan haben, werden sie dies sicherlich nicht im Gerichtssaal preisgeben. Dem Abgemahnten wird es im Normalfall unmöglich sein, eine rechtsmissbräuchliche Absprache zwischen dem Abmahner und seinem Anwalt darzulegen. Wie sollte er auch ohne jeglichen Ansatzpunkt eine derartige Absprache, die u.U. sogar nur mündlich getroffen wurde, aufdecken? Und allein aus der Anzahl der Abmahnungen einen Missbrauch herauszufiltern, ist auch kein geeignetes Mittel. Liegt ein Verstoß nun einmal massenhaft vor, nützt es einem Abmahnenden auch wenig, nur gegen einen Verletzer vorzugehen. Da zivilrechtliche Vereinbarungen oder auch Urteile nur Geltung zwischen den Parteien erreichen, würde es auch nicht helfen, nur eine Abmahnung erfolgreich zu verfolgen, während 199 andere sich weiterhin unbehelligt einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Es ist natürlich nachvollziehbar, dass Abmahnungen wegen einer falschen Widerrufsbelehrung bei den Abgemahnten in der Regel einen faden Beigeschmack verursachen, wird ein derartiger Verstoß doch gerne als Bagatelle abgetan. Dass es sich dabei um keine solche handelt, zeigen die mannigfaltigen Urteile zu derartigen Verstößen, welche ihre wettbewerbsrechtliche Erheblichkeit als Grundvoraussetzung beinhalten. Natürlich bedeutet das in manchen Fällen leicht verdientes Geld für die beauftragten Anwälte. Auf der anderen Seite sollte inzwischen die Mehrheit der im Online Handel tätigen Unternehmer die drohende Gefahr von Abmahnungen zur Kenntnis genommen haben. Entsprechend ist es an jedem selbst, präventiv seine Geschäftsbedingungen etc. rechtlich auf den neuesten Stand zu bringen statt am Ende die "Zeche" an den gegnerischen Anwalt zu zahlen.

Kontakt und Autor: Martin Boden, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz · Schanzenstraße 51 · 40549 Düsseldorf
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